Textproben für Kinder

Gedichte zum Schmunzeln und zum Spielen mit Sprache:

 

 Muddelkuddel

 

Wirrwarr herrscht im Alphabet,

alle Wörter sind verdreht.

Kaum ein Wort ist wie's mal war,

alles klingt ganz sonderbar:

 

Am Morgen kämpft das Lonnensicht 

sich durch eine Scholkenwicht.

Vor dem lauten Kleckerwang

 weckt dich zärtlich Sogelvang.

 

Zum Frühstück gibt es Flaferhocken,

dann kämmst du deine Luschelwocken,

vergisst auch nicht das Wändehaschen

steckst Geld noch in die Tantelmaschen.

 

Kaufst dir erst beim Buchenkäcker

Brot und Brötchen - lupersecker,

bummelst dann zum Lücherbaden

und zuletzt zum Bonnensaden.

 

Meine Zunge kriegt gleich Knoten -

Muddelkuddel wird verboten!

Wer weiß alle Wörter richtig?

Bitte helft mir, das ist wichtig!

 (c) Sylvia Eggert

 

 

Kurzgeschichten für Kinder:

 

Robins Erben (Auszug)

 

Jeden Abend vorm Einschlafen liege ich in meinem Bett und Mutti sitzt auf der Bettkante.

Zuerst fragt sie mir Löcher in den Bauch: „Na, wie war es heute in der Schule?"

„Schön", antworte ich meist.

„Und, was habt ihr Neues gelernt?"

„Viel", antworte ich immer.

„Gab es irgendwelchen Ärger?"

„Nein, alles in Butter."

„Hast du die Tasche gepackt und deine Hausaufgaben gemacht?"

„Klar, Mutti!"

Ohne diese Fragerei hätte Mama wohl das Gefühl, sich nicht ausreichend um mich gekümmert zu haben. Wann sie wohl endlich mal kapiert, dass in diesem Moment sowieso keine längeren Auskünfte von mir zu erwarten sind. Erwachsene brauchen echt lange, bis bei ihnen der Groschen fällt ...

Warum ich keine Zeit für solche langweiligen Gespräche habe? Ganz einfach. Jetzt kommt das Schönste des ganzen Tages: Mutti liest vor. Nicht so wie andere Mütter. Sie liest nicht einfach nur Buchstaben und Worte und Sätze aus den Büchern vor. Meine Mutti malt mit ihrer Stimme Bilder in meinen Kopf. Sie kann ihre Stimme nämlich verstellen wie eine richtige Schauspielerin. Sie kann so verdreht reden wie Pippi, so höllisch fluchen wie Ronja, so herumpoltern wie der Hotzenplotz, kichern wie die kleine Hexe, Zaubersprüche murmeln wie Harry Potter oder herumlärmen wie ein ganzer Haufen wilder Kerle.

Ich glaube, ihr macht das Vorlesen genauso viel Spaß wie mir das Zuhören. Jedenfalls ist sie danach immer richtig gut gelaunt und kitzelt mich durch, bis ich kaum noch Luft bekomme. Wenn sie ganz besonders gut drauf ist, gibt's als Krönung zum Schluss sogar noch eine wilde Kissenschlacht.

Von meinen Abenden mit Mutti darf ich den anderen aus meiner Klasse natürlich nichts verraten. Vor allem Benno darf davon keinen Wind bekommen. Sonst ärgert der mich gleich wieder. Solche Titel wie Milchreisbubi oder Mamasöhnchen oder Schürzenzipfelkind sind nicht gerade erbaulich.

 

Neulich Abend, als Mama wieder bei mir auf der Bettkante saß, da fragte sie mich: „Friedolin, weißt du eigentlich schon, was du mal werden willst, wenn du erwachsen bist?"

Da musste ich nicht lange überlegen. Wie aus der Pistole geschossen kam meine Antwort. „Schriftsteller!"

Daraufhin hat mich Mutti in die Wange gezwickt, so wie sie es auch immer bei meiner minikleinen Cousine macht. Dann hat sie mich mit diesem speziellen Blick angeschaut und gesagt: „Ach, mein kleiner Träumer."

Da hatte ich keine Lust mehr auf Mamas Gesellschaft. Ich habe mich umgedreht und Mama mit dem Hintern von der Bettkante geschubst.

Von wegen: Träumer... Da hätte sie gleich Spinner zu mir sagen können oder Möchtegern oder Gernegroß.

Schlimm genug, dass mich die Meisten in der Schule schon nicht für voll nehmen! Aber wenn einen auch die eigene Familie als Träumer einstuft - ätzend, echt ätzend!

Mir wird mehr und mehr klar: Ich muss der Welt beweisen, das ich kein Spinner bin, kein Möchtegern, kein Gernegroß!

Ich werde es allen zeigen! Ich werde Schriftsteller!  ...

(c) Sylvia Eggert

 

Handbild Aaron

                                            (c) Aaron Herrmann, Grundschule Siebenlehn